Freitag, 15 Mai 2020

In Gedenken an Rosa Viehweider

Am 6. April 2020 hat Rosa Viehweider geb. Plattner nach einer längeren, aber mit erstaunlich abgeklärter Haltung getragenen Leidenszeit ihre Lieben und unsere Welt verlassen. Die Verabschiedung fand auf Grund der derzeitigen Vorschriften im allerengsten Familienkreis statt, in einer wohl etwas befremdlichen und ungewohnten Atmosphäre. „Mögest Du, wohin Du gehst, einen neuen Garten vorfinden, noch unbestellt, wo Du mit beiden Armen anpackst, der Ahnen gedenkst und den Pflanzen Liebe schenkst, damit alles bereit ist, wenn wir nachkommen.“ Diese Worte von Oliver Steinkamp lesen wir auf dem Sterbebild, von dem sie uns tiefsinnig und zugleich fragend entgegenlächelt. Ja, sie hat in ihrem Leben viele Gärten bestellt, im privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Bereich – und teils kräftige, teils feine Spuren hinterlassen.

Geboren am 4. November 1937 und aufgewachsen am schon längst nicht mehr existierenden Kuendlhof im Münzbankweg in Gries, besuchte sie die Haushaltungsschule in Steinach in Nordtirol und legte damit einen wichtigen Grundstein fürs Leben, der ihre Fähigkeiten immer wieder neu zur Entfaltung brachte. Als älteste von sieben Geschwistern empfand sie ihre Mitarbeit am Hof als Selbstverständlichkeit und war in ihrer Familie immer wieder ein wichtiger Bezugspunkt bei Entscheidungen im wirtschaftlichen Geschehen. Eine besondere Vorliebe entwickelte sie für das Nähen, dem Schneidern von Trachten galt ihr große Aufmerksamkeit. Als Marketenderin der Bürgerkapelle Gries und Altistin im Stiftspfarrchor St. Augustin beteiligte sie sich schon bald aktiv am Grieser Kultur- und Gemeinschaftsleben. 1964 heiratete sie Franz Viehweider und zog mit ihm nach Sigmundskron, wo sie gemeinsam den neu errichteten Artlunghof zur Blüte brachten. Sie schenkte drei Kindern das Leben, kümmerte sich um Haus und Garten und erledigte die anfallenden bürokratischen Angelegenheiten. Dort griff sie später auch die Idee der Direktvermarktung von Obst und Gemüse auf und setzte sie mit Sohn Klaus in beispielhafter und professioneller Weise um: Über viele Jahre belieferte sie zweimal in der Woche am Mazziniplatz und Rathausplatz in Bozen die vielen treuen Kunden.

Als 1979 vom Südtiroler Bauernbund die ersten Schritte zur Gründung der Südtiroler Bäuerinnenorganisation gesetzt wurden, war sie gleich Feuer und Flamme. Sie erahnte sofort, welche Kraft und Chancen in dieser neuen Organisation verborgen lagen. Sie war deshalb auch gleich eine treibende Kraft beim Aufbau der Organisation: 1980 wurde sie bei der Gründung der Ortsgruppe Gries zur Ortsbäuerin gewählt und ein Jahr später beim 1. Landesbäuerinnentag zur Stellvertretenden Landesbäuerin. Beide Ehrenämter übte sie mit großer Verantwortung bis 1995 aus. Lange Zeit war sie auch Bezirksbäuerinnenratsmitglied und Vertreterin der Seniornenvereinigung im Landesbäuerinnenrat.

Selbstbewusst half sie, den Bäuerinnen mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft zu geben und die Gemeinschaft Gleichgesinnter durch viele Initiativen und Aktivitäten zu fördern. Getragen von einem tiefen Heimatgefühl, der Freude an der Arbeit und am Leben wurde sie zu einer geschätzten Netzwerkerin in der bäuerlichen Welt. Ihr Engagement war besonders in der Pflege der Kultur, des Brauchtums und der Traditionen, sowie im sozialen Bereich spürbar. So war sie über Jahrzehnte im Auftrage der Südtiroler Bäuerinnenorganisation in der Arbeitsgemeinschaft Lebendige Tracht tätig.

Zudem war Rosa Viehweider Gründungsmitglied des Bäuerlichen Notstandsfonds im Jahre 1990 und daraufhin 16 Jahre an der Seite des Obmannes als seine Stellvertreterin. Mit großem Engagement, mit Freude und vielen Ideen hat sie insbesondere bei der Geldmittelbeschaffung wesentlich zum Aufbau beigetragen. Unermüdlich war sie ehrenamtlich für den BNF tätig und konnte sich mit ihrer Erfahrung und ihren vielen Netzwerken bestens einbringen. Rosa Viehweider war eine wertvolle, lebensbejahende Frau mit einem starken Einsatz für Soziales im Handeln. Ihre Handschrift ist heute, 30 Jahre nach der Gründung noch sichtbar und gebührt großen Respekt und Wertschätzung.

Öffentlichen Dank und Anerkennung für ihren langjährigen ehrenamtlichen Einsatz an vorderster Front für die Anliegen der Bäuerinnen erhielt Rosa Viehweider 2013: Am Hohen Frauentag durfte sie die Verdienstmedaille des Landes Tirol aus den Händen der Landeshauptleute Luis Durnwalder und Günther Platter entgegennehmen.

Als sich Rosa von den öffentlichen Aufgaben und Verpflichtungen zurückzog und die Hofübergabe bevorstand, übersiedelte sie mit ihrem Franz in ihr neues Heim am ererbten Doppelbauerhof in St.Justina/Bozen. Die sorgfältige Pflege des Weingutes gemeinsam mit ihrem Mann war ihr stets ein Herzensanliegen, das jährliche Wimmen ein Fest für alle Beteiligten. Bodenständig und heimatbewusst, gastfreundlich und hilfsbereit, familien- und gesellschaftsorientiert: das waren ihre Wesenszüge, die sie lebte und die an ihr geschätzt wurden. Wer immer im Leben mit der Kuendl-Rosi in Verbindung kam, wird sie in guter Erinnerung behalten. Und wer ihr nachkommt, dem wird wohl ein Wiedersehen im neu bestellten Garten beschert sein.

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