Diese Seite drucken
Wenn es so weitergegangen wäre ...
Home Soziale Landwirtschaft Berichte und Aktuelles Wenn es so weitergegangen wäre ...
Dienstag, 11 Dezember 2018

Wenn es so weitergegangen wäre ...

Was tun, wenn die Arbeit am Hof, der Nebenerwerb und ehrenamtliche Tätigkeiten zur Überforderung führen und sich dadurch gesundheitliche Probleme einstellen? Die Lebensberatung für die bäuerliche Familie kann helfen, wenn man alleine keinen Ausweg aus dieser Situation findet. Das Lösen von Konflikten ist nicht immer einfach, dabei genügt oft ein Anruf bei der Lebensberatung. Die ehrenamtlich tätigen Beraterinnen und Berater haben ein offenes Ohr für Bäuerinnen und Bauern in belastenden Lebenssituationen und helfen die Krisensituation zu lindern oder gar zu lösen. Natürlich immer gemeinsam mit den Anrufern.

Ein Paar (der Name des Paares bleibt anonym; Anm. d. Red.) hat diesen Schritt getan und bei der Koordinationsstelle der Lebensberatung angerufen hat. Die Bäuerin hat angerufen, aber der Bauer war bei den persönlichem Gesprächen mit der Lebensberaterin immer dabei. Ein halbes Jahr später erzählt die Bäuerin im Gespräch mit dem Landwirt von ihren Erfahrungen, auch weil sie anderen Mut machen möchte, auch diesen Schritt zu tun.

Landwirt: Warum haben Sie sich an die Lebensberatung gewandt?

Bäuerin: Ich mache es kurz: wir leben auf einem kleinen Bauernhof mit 4 Milchkühen, zwei Schweinen und Hühnern. Mein Mann geht einem Zuerwerb nach, ist noch dazu in mehrerer Vereinen tätig und ich mache die ganze Arbeit auf dem Hof, nebenbei ist natürlich die Familie und der Haushalt. Wir haben drei Kinder im schulpflichtigen Alter. Ich sehe meinen Mann eigentlich nur am Sonntag. Unter der Woche bin ich meistens schon im Bett, wenn er nach Hause kommt. Aber am Sonntag erledigt er oft Schreibarbeiten für seine ehrenamtlichen Tätigkeiten und am Hof ist immer das eine und das andere zu richten. Ich habe schon seit längerem gesundheitliche Beschwerden, weil ich es einfach nicht mehr "derpacke". Mir ist alles zuviel geworden und ich habe gespürt, dass mein Mann auch überfordert ist. Wir haben beide so gut wie keine freien Zeiten und zusammen etwas unternommen haben wir auch schon seit Langem nicht mehr, weder mit der ganzen Familie noch wir zwei als Paar. An einem Sonntag dann, nach der Messe, hat mich die Ortsbäuerin zu einer Fahrt mit den Bäuerinnen eingeladen, auch weil ich nie mehr dabei war und da bin ich plötzlich in Tränen ausgebrochen. Ich bin total erschrocken über meine Reaktion. Die Ortsbäuerin ist aber ruhig geblieben und hat mir gleich ein Taschentuch gereicht. Als ich mich dann wieder beruhigt habe, habe ich bei ihr mein Herz ausgeschüttet und war dann selbst über meine Offenheit erstaunt. Sie hat mir zugehört und mir erzählt, dass sie ähnliche Situationen kenne und mir geraten mich an die Lebensberatung der Bäuerinnenorganisation zu wenden. Sie hat immer mehrere Flyer in ihrer Handtasche und einen davon hat sie mir mitgegeben. Dann musste ich mich verabschieden, weil es ja bereits wieder Zeit war nach Hause zu fahren. Sie hatten nun einen Flyer der Lebensberatung in der Hand.

Wie ist es nun weitergegangen?

Mein Mann hat mich gleich am Nachmittag auf die Begegnung mit der Ortsbäuerin angesprochen. Ihm war aufgefallen, dass wir ein ernstes Gespräch geführt haben. Ich war ihm so dankbar, dass er mich darauf angesprochen hat, weil ich irgendwie nicht wusste, was und vor allem wie ich es ihm sagen sollte, dass es mir seit längerer Zeit nicht gut ging und dass mir die Arbeit über den Kopf gewachsen ist. So habe ich nun auch ihm mein Herz ausgeschüttet. Auch wieder mit Tränen in den Augen. Wie hat er reagiert? Er hat total gut reagiert und gesagt, dass es ihm oft ähnlich gehe und er auch gemerkt hat, dass keine Zeit für das Familienleben bleibe und er das Gefühl hat, dass er mehr für andere da ist als für seine Familie. Aber er weiß auch nicht, wo er kürzer treten kann. Dann haben wir beide beschlossen, den Rat der Ortsbäuerin zu befolgen und bei der Koordinationsstelle der Lebensberatung anzurufen ohne aber zu wissen, wie sie uns konkret helfen könnte.

Haben sie lange überlegt?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe der Ortsbäuerin vertraut, war froh, dass mein Mann so reagiert hat und nicht alles beschwichtigt hat, wie ich vermutet habe. Ich fühlte mich ja so überlastet und hatte eben auch gesundheitliche Schwierigkeiten, dass ich einfach handeln musste. Sonst wäre alles wahrscheinlich Schlimmer geworden.

Wie war das Gespräch mit der Lebensberaterin?

Mehr als angenehm. Wir sind ihr einfach nur dankbar. Sie ist so eine liebe, aufmerksame und wertschätzende Person. Gut finde ich auch, dass sie aus einem anderen Bezirk kommt. So fühlten wir uns wirklich frei zu erzählen. Sie hat sich beim Erstgespräch Zeit genommen um uns einfach mal zuzuhören. Wir sind ihr auch sehr dankbar, dass sie zu auf den Hof gekommen ist. So mussten wir die Kinder nicht abgeben. Da sie selbst Bäuerin ist, hat sie uns sofort verstanden, was uns bedrückt und was los ist.

Hat es nach dem Erstgespräch noch weitere Treffen gegeben?

Ja, mit einem Gespräch wäre das nichts getan gewesen. Die Lebensberaterin hat uns gleich zu Beginn gesagt, dass die Beratungen kostenlos sind und dass wir soviel Beratungen in Anspruch nehmen könnten, wie es eben braucht. Ich finde, das ist ein tolles Angebot und ich möchte mich an dieser Stelle auch sehr bei der SBO bedanken. Die Lebensberaterin ist insgesamt dreimal auf den Hof gekommen. Wir haben gemeinsam beraten, was wir an unserer Situation ändern könnten.

Was haben Sie geändert?

So einiges. Heute denke ich, dass wir nicht selbst draufgekommen sind. Aber wir hatten einfach nie Zeit dafür. So ist die Lebensberaterin gekommen und wir mussten uns einfach Zeit nehmen und sie war sozusagen unser Coach, wie man heute sagt. Also: Mein Mann wird zwei seiner insgesamt vier ehrenamtlichen Tätigkeiten abgeben. Eine hat er schon abgeben, weil die Legislatur zu Ende war. Die andere wird er nächstes Jahr abgeben. Er behält "nur" mehr die Tätigkeiten, bei denen er mit ganzem Herzen dabei ist. Dadurch kann er mir beim Hof etwas mehr zur Hand gehen. Abends melkt jetzt er meistens die Kühe. Es freut ihn, dass er nun wieder mehr Kontakt zu den Tieren hat. Das ist eine Arbeit, die er gerne macht und bei der er gut abschalten kann. Ich werde wieder ab und zu mit den Bäuerinnen etwas unternehmen. Meine gesundheitlichen Beschwerden sind zwar noch nicht ganz weg, aber es geht mir deutlich besser. Wie gesagt, wir sind beide total froh, dass wir Hilfe geholt haben, weil wir heute mit unserer Situation wieder zufrieden sind und wieder Freude mit unserem kleinen Höfl haben. Das ist uns das Wichtigste, weil wir - jetzt kann ich es zugeben- auch schon mal ans Aufgeben gedacht haben. Das wollten wir aber uns und unseren Kindern auf keinen Fall antun. Aber wenn es so weitergegangen wäre ...

Kontakt Lebensberatung für die bäuerliche Familie 0471 999400 von Montag bis Freitag von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 14.00 bis 18.00 Uhr E-Mail: lebensberatung@baeuerinnen.it

Ähnliche Artikel